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Passgenaue Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ist verdächtig

Ist ein Arbeitnehmer nur während der Kündigungsfrist krankgeschrieben und fängt tags darauf an, woanders zu arbeiten, ist das verdächtig.

Der Beweiswert von (Folge-)AU kann erschüttert sein, wenn ein krankgeschriebener Arbeitnehmer nach Zugang der Kündigung eine oder mehrere AU vorlegt, die passgenau die Dauer der Kündigungsfrist umfassen, und er unmittelbar nach deren Ablauf eine neue Beschäftigung aufnimmt. Dies hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) entschieden (Urt. v. 13.12.2023, Az. 5 AZR 137/23).

Der AN hatte am 2. Mai 2022 eine AU bis zum Ende der Woche vorgelegt. Einen Tag später ging ihm die am Tag der Krankmeldung erstellte Kündigung zu. Die Kündigungsfrist lief bis Ende Mai. Der Mann reichte daraufhin zwei Folge-AU ein, in denen ihm eine Arbeitsunfähigkeit bis zum 31. Mai 2022 (einem Dienstag) bescheinigt wurde. Doch bereits ab dem 1. Juni 2022 fing der Mann an, bei einer neuen Stelle zu arbeiten. Seine ehemalige Arbeitgeberin verweigerte daraufhin die Entgeltfortzahlung mit der Begründung, der Beweiswert der zwei vorgelegten AU sei erschüttert. Dem widersprach der AN, weil die Arbeitsunfähigkeit bereits vor dem Zugang der Kündigung bestanden habe. Die Vorinstanzen haben der auf Entgeltfortzahlung gerichteten Klage vollumfänglich stattgegeben.

Die Revision der Arbeitgeberin zum BAG hatte nun teilweise – bezogen auf den Zeitraum vom 7. bis zum 31. Mai 2022 – Erfolg. Ein Arbeitnehmer könne die von ihm behauptete Arbeitsunfähigkeit zwar grundsätzlich mit einer AU nachweisen. Deren Beweiswert könne der Arbeitgeber aber erschüttern, wenn er tatsächliche Umstände darlege und ggf. beweise, die nach einer Gesamtbetrachtung Anlass zu ernsthaften Zweifeln an der Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers gäben.

Zwar sei der Beweiswert der ersten, noch vor der Kündigung abgegebenen AU nicht erschüttert. Eine zeitliche Koinzidenz zwischen dem Beginn der AU und dem Zugang der Kündigung sei schließlich nicht gegeben. Offenbar hatte der Arbeitnehmer nicht gewusst, dass ihm gekündigt werden sollte.

Bezüglich der weiteren AU sei der Beweiswert dagegen erschüttert. Zwischen der in den Folge-AU festgestellten passgenauen Verlängerung der Arbeitsunfähigkeit und der Kündigungsfrist habe eine zeitliche Koinzidenz bestanden. Zudem habe der damalige Mitarbeiter unmittelbar nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine neue Beschäftigung aufgenommen. Damit hat er die volle Darlegungs- und Beweislast für das Bestehen krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit.